Schon seit vielen Jahrhunderten halten Astronomen ihre Beobachtungen in Form von Zeichnungen fest. Manch einer mag denken, in der heutigen Zeit, in der das Anfertigen beeindruckender Astro-Fotos so einfach ist wie nie zuvor, habe sich das Zeichnen am Teleskop oder Fernglas überholt. Doch das ist nicht so. Besonders für Anfänger, aber auch für erfahrene Himmelsbeobachter kann es sehr viel bringen.
Gerade wenn am Beginn die Faszination für den Sternenhimmel groß ist und man tiefer in die Materie einsteigen möchte, bieten sich Anfängern viele Gelegenheiten, jede Menge Geld in die astronomische Grundausstattung zu stecken. Und wenn sich auch noch der Wunsch regt, das Beobachtete visuell festzuhalten, geht es mit der Anschaffung einer Astro-Fotoausrüstung gleich weiter. Sicher, dies ist eine legitime Herangehensweise an das Hobby, gegen die im Grunde nichts spricht. Leider endet die anfängliche Euphorie nur allzu häufig damit, dass man merkt, dass man mit der Technik überfordert ist oder nicht die Ergebnisse bekommt, die man gerne hätte. Und dass das nächtliche Herumhocken bei ungemütlichen Temperaturen irgendwo in der Pampa auch nicht das ist, was man sich für seine Samstag-Abende längerfristig vorstellt.
Beginnt man den Einstieg in die Astronomie dagegen langsam und mit überschaubarem finanziellen Aufwand, kann man sich nach und nach an die Sache herantasten. Ein Weg in diese Richtung wäre, sich einfach mal mit einer Rotlichtlampe und einem Klemmbrett mit Papier und Bleistift nachts irgendwo in die Pampa zu setzen und dort zum Beispiel ein Sternbild abzuzeichnen, so wie man es erkennen kann. Das Licht der Lampe sollte rot sein, um die Dunkelanpassung der Augen nicht zu stören.
Oder man nimmt zu diesem nächtlichen Astro-Ausflug ein Fernglas mit, das sowieso schon lange zu Hause herumliegt. Am besten wird dieses dann auf ein Stativ montiert. So lässt sich ein Himmelsausschnitt in aller Ruhe betrachten und abzeichnen. Es gibt eine ganze Reihe hübscher Sternhaufen oder auch einige Doppelsterne, die sich für das Beobachten und Zeichnen mit Hilfe eines Fernglases sehr gut eignen.
Auf diese Weise kann man sich behutsam an die Astronomie herantasten. Man kann ausprobieren, ob man wirklich dafür geschaffen ist, nachts längere Zeit an einsamen Plätzen bei Dunkelheit und Kälte auszuharren. Und man kann herausfinden, ob der Zauber der Sterne stark genug ist, um einen zu motivieren, auch etwas Zeit und Energie in dieses neue Hobby zu stecken. Denn das wird die Astronomie einem zusätzlich zu monetären Aufwendungen abverlangen, egal ob man sie rein visuell betreiben will oder in lieber Richtung Fotografie gehen.
Die Fähigkeit, sich am Nachthimmel orientieren zu können, wird durchs Zeichnen gefördert
Wer astronomische Objekte beobachten möchte, muss diese zuerst einmal finden. Klar, wir leben in Zeiten, in denen es auch für dieses Problem elektronische Helferlein gibt. Aber, um diese zufriedenstellend benutzen zu können, ist eine gewisse Grundkenntnis des Nachthimmels und der scheinbaren Bewegung, die die Sterne um uns herum vollziehen, nötig. Auch sollte man nicht der Vorstellung erliegen, es würde reichen, sich so einen Helfer anzuschaffen, einzuschalten und auf das richtige Knöpfchen zu drücken, um einen Moment später Galaxie XY in all ihrer Pracht im Okular zu sehen. GoTo-Systeme müssen eingerichtet werden, und dazu sollte man sich zumindest ein wenig am Nachthimmel zurechtfinden. Außerdem nimmt man sich meiner Meinung nach einen wesentlichen Teil des Abenteuers Astronomie, wenn man sich nicht die Mühe macht, den Sternenhimmel nach und nach kennenzulernen. Und mit Hilfe einer Sternkarte zum ersehnten Objekt zu navigieren.
Das Zeichnen am Teleskop oder Fernglas schult den Blick für auffällige Sternformationen, die auf der Karte verzeichnet sind und einem den Weg zu einem Himmelsobjekt weisen. Beim Blick durch ein astronomisches Gerät zeigen sich viel mehr Sterne, als man ohne Hilfsmittel erkennen kann. Schnell weiß man nicht mehr, welcher von all diesen Sternen eigentlich der war, den man bloßäugig gesehen hat. Und welche Sterne am Himmel es sind, die die Kette bilden, an der man sich orientieren möchte, um ein Objekt zu erreichen. Um das auch bei unterschiedlichen Vergrößerungsstufen einschätzen zu können, braucht man ein Gefühl für die unterschiedlichen Helligkeiten und Abstände einzelner Sterne zueinander.
Einen Himmelsbereich zu zeichnen hilft einem genau hierbei. Auf Sternkarten sind hellere Sterne meist mit dickeren und schwächere Sterne mit dünneren Punkten eingetragen. Beim Abzeichnen eines Sternfeldes, das man im Okular oder Fernglas sehen kann, geht man genauso vor. Und lernt nebenbei, die Sternhelligkeiten und -abstände einzuschätzen.
Astronomisches Zeichnen schult den Blick für Details
Gerade am Anfang freut man sich über alles, das man überhaupt im Teleskop oder Fernglas am Nachthimmel erkennen kann. Erst mit der Zeit lernt man, Details in den Objekten wahrzunehmen und so auch differenzierter beschreiben zu können. Diese Fähigkeit kann man mit dem Zeichnen sehr schön schulen. Indem man sich Zeit für ein Objekt nimmt und versucht, es möglichst genau auf Papier festzuhalten, fallen einem nach und nach immer mehr Einzelheiten auf. Man sieht sich in ein Objekt ein, lernt es immer genauer kennen.
So wird aus einem runden Nebelfleck auf einmal ein Kugelsternhaufen mit hellem Zentralbereich und blasser Randregion. Oder an Mond und Planeten tauchen Details auf, die man noch nie zuvor wahrgenommen hat. Oder ein Doppelstern lässt sich auf einmal doch eindeutig trennen, nachdem das vorher nur sehr fraglich möglich gewesen war. Auch die unterschiedlichen Farben der Sterne nimmt man durchs Zeichnen mit der Zeit immer besser wahr.
Zeichnungen halten das Objekt und den eigenen Lernfortschritt fest
Wer ein Objekt zeichnet, schafft ein bildhaftes Dokument dessen, was er oder sie in jener Nacht gesehen hat. Mit den beobachterischen und zeichnerischen Fähigkeiten, die man zu diesem Zeitpunkt hat. Je geschulter der eigene „astronomische Blick“ im Lauf der Zeit wird, desto detailreicher und genauer werden auch die gezeichneten Ergebnisse. Die Fortschritte, die man z. B. innerhalb eines Jahres gemacht hat, fallen einem beim Vergleich von Zeichnungen erst so richtig auf.
Astro-Zeichnen macht Spaß und entschleunigt
Vielleicht ist das sogar der wichtigste Grund, weshalb man es meiner Meinung nach auf jeden Fall zumindest versuchen sollte. Für viele von uns ist der Alltag von Stress, Lärm und der Geschwindigkeit digitaler Medien geprägt. Da ist die Astronomie an sich schon eine gute Möglichkeit, von all dem abzuschalten, sich zu entspannen und sich in Ruhe mit einem bestimmten Himmelsobjekt zu befassen.
Tut man das zeichnerisch, bekommt die Sache noch eine andere Qualität. Denn beim Zeichnen werden viel mehr Sinne angesprochen als z. B. beim Fotografieren. Man hält einen Stift in der Hand, bewegt ihn übers Papier und vergleicht das, was man gerade gezeichnet hat, immer wieder mit dem Anblick im Okular. So nähert man sich in kleinen Arbeitsschritten nach und nach einem beobachteten Objekt an. Dabei lernt man es kennen und baut auch eine Art von Beziehung zu ihm auf. So kann aus einem beliebigen Sternhaufen, der in einem Katalog verzeichnet ist, durch den Prozess des Zeichnens ein guter Bekannter werden, den man gern auch noch weitere Male wieder besucht.
Also, was spricht dagegen, es einfach mal auszuprobieren? Viel Spaß und Erfolg dabei!